28.05.2008 - Berlin

Gemeinsam mit der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch lud die Hirschfeld-Eddy-Stiftung zu einer Podiumsdiskussion über Gender, Sexualität und Menschenrechte in einer sich verändernden Türkei ein. Im Rathaus Schöneberg (Berlin) diskutierten Juliana Cano Nieto, Rechtsanwältin und Researcherin von Human Rights Watch, Ulas Yilmaz, Vertreter für Kaos-GL in Deutschland, Dr. Lale Akgün, MdB (SPD) und Günter Dworek von der Hirschfeld-Eddy-Stiftung mit den anwesenden Vertreterinnen und Vertretern aus NGO’s, Politik sowie vielen interessierten Bürgerinnen und Bürgern.

 

Gender, Sexualität und Menschenrechte in einer sich verändernden Türkei

Gemeinsam mit der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch lud die Hirschfeld-Eddy-Stiftung am Mittwoch, den 28. Mai 2008 zu einer Podiumsdiskussion über Gender, Sexualität und Menschenrechte in einer sich verändernden Türkei ein. Eine Fülle von Problemen Juliana Cano Nieto stellte ihren Bericht zur Lage der Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen in der Türkei vor. Als besondere Probleme benennt der Bericht die Gewalt gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender und dass ihr keine angemessene Reaktion von Polizei und Justiz folgt. Es gibt Übergriffe auf homosexuelle Bürgerrechtsorganisationen durch staatliche Behörden. Das Polizeirecht erlaubt den Behörden unbeschränkte Kontrolle im öffentlichen Raum. Die Situation in den Familien ist für junge Lesben und Schwule oft sehr schwierig. Traditionelle Geschlechterrollen sehen ein eigenständiges Leben von Frauen ohne Aufsicht eines Mannes nicht vor. Transgender haben vielfältige Probleme in Gesellschaft. Eine starke Bastion der Diskriminierung ist das Militär. Dort wird Homosexualität als Krankheit betrachtet. Trotz angestrebter EU-Mitgliedschaft gibt es bislang in der Türkei kein Antidiskriminierungsrecht in Bezug auf sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität.

Türkei und EU-Mitgliedschaft
Ulas Yilmaz von Kaos-GL, einer LGBT-Organisation aus Ankara, berichtete, dass der Wunsch der Türkei nach Aufnahme in die EU zu deutlichen Verbesserungen für Lesben und Schwule geführt habe. Leider gehe die erhöhte Sichtbarkeit von LGBT mit mehr Gewalt und Übergriffen einher.

Dr. Lale Akgün von der SPD-Bundestagsfraktion betonte die Verantwortung der bundesdeutschen Regierung und appellierte an die Lesben- und Schwulenorganisationen, das Beitrittsansinnen der Türkei in die EU zu unterstützen. „Wir müssen die fortschrittlichen Kräfte in der Türkei stützen. Menschenrechte von Lesben und Schwulen sind nicht verhandelbar. Die Bundesregierung und die türkeistämmige Zivilgesellschaft sind gefordert.“

Safter Cinar, Sprecher des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg stellte fest: „Obwohl eine gewisse Demokratisierung/Liberalisierung festzustellen ist, entspricht dies keineswegs den notwendigen Standards. Außerdem wird die von der Regierungspartei AKP gezielt betriebene und ziemlich fortgeschrittene Islamisierung des Alltags insbesondere die Rechte von Frauen sowie von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender in der Praxis rückgängig machen." Er ergänzte noch:
"Das ambivalente Verhalten der EU bezüglich der Vollmitgliedschaft der Türkei, insbesondere das kürzliche Auftreten der EU-Vertreter, die sich wie Kolonialgouverneure benommen haben, stärkt die EU- bzw.
Demokratisierungsgegner in der Türkei."

Günter Dworek wies darauf hin, dass die Verwirklichung der Grundrechte für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender in der Türkei durch die Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe („Schutz der öffentlichen Moral“) gefährdet sei. Dieses Einfallstor für Repression müsse auch Thema in der Türkeipolitik der Bundesregierung werden. Die Hirschfeld-Eddy-Stiftung widme sich der internationalen Zusammenarbeit zur Sicherung und Durchsetzung der in den Yogyakarta-Prinzipien formulierten Rechten für Lesben, Schwule und Transgender. Ganz aktuell ginge es um die Unterstützung der LGBT-Organisation „Lambda Istanbul“, deren Verbot drohe.

 

Foto: Ulrich Würdemann/ondamaris.de